Maintal, Germany
July 11, 2014
Mit der Diskussion um die EU-Zulassung der gentechnisch veränderten Maissorte 1507, die unter anderem ein Bt-Protein gegen den Maiszünsler produziert, ist in Deutschland wieder eine Debatte entbrannt. Wir haben uns mit Bettina Sanchez-Bergmann vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) e.V. über das Für und Wieder der Nutzung der Grünen Gentechnik unterhalten.
Welche Vorteile bringt die „Grüne Gentechnik“ aus Ihrer Sicht mit sich?
Bettina Sanchez-Bergmann: Im Werkzeugkasten der Pflanzenzüchtung ist die Grüne Gentechnik eine von vielen Methoden. Und stellt gleichzeitig eine bedeutende Weiterentwicklung gegenüber klassischen Züchtungsverfahren dar. Bei der klassischen Züchtung wird das gesamte Erbmaterial der Kreuzungspartner einer Art vermischt und es bleibt dem Zufall überlassen, ob und wie wünschenswerte Eigenschaften bei den Nachkommen ausgeprägt werden. Daher müssen meist zahlreiche zeitaufwändige Züchtungsversuche und Rückkreuzungen durchgeführt werden, um Pflanzen mit der gewünschten Veränderung zu erhalten. Aus diesen Gründen kann die Entwicklung einer neuen Sorte unter Umständen Jahrzehnte dauern.
Mit gentechnischen Verfahren können hingegen bestimmte, genau bekannte Erbinformationen auch anderer Arten ganz gezielt übertragen werden, um die gewünschten Eigenschaften ohne den Umweg über zahlreiche, oft auch nicht erfolgreiche, Kreuzungsversuche zu erhalten. Der Einsatz der Gentechnik ist besonders dann sinnvoll, wenn die klassische Pflanzenzüchtung an ihre natürlichen Grenzen stößt. Keinesfalls aber kann sie klassische Züchtungsmethoden ersetzen, sondern bietet ergänzende Lösungsansätze.
Ist die Ablehnung der Verbraucher gegenüber der Grünen Gentechnik Ihrer Meinung nach gerechtfertigt. Welche Chancen hat der Anbau gentechnischer Pflanzen in Deutschland überhaupt?
Bettina Sanchez-Bergmann: Die ablehnende Haltung vieler Verbraucher gegenüber der Grünen Gentechnik ist nachvollziehbar. Zum einen handelt es sich hierbei um ein Verfahren, das für den Laien nur schwer zu durchschauen ist. Zum anderen werden seit Jahren von Gentechnikkritikern Horrorszenarien beschrieben, die sich angeblich aus der Nutzung der Grünen Gentechnik ergeben. So wird Stimmungsmache gegen diese Methode betrieben. Die Verunsicherung der Verbraucher ist daher groß.
Die Bedenken nehmen wir ernst und begegnen ihnen mit größtmöglicher Transparenz. Dazu gehört vor allem auch die Aufklärung über Chancen und Potenziale dieser Technologie. Die anderer Seite der Medaille: Aufgrund der fehlenden Nachfrage der Produkte durch Landwirte und Verbraucher haben mittlerweile viele deutsche Pflanzenzüchter ihre Forschungsaktivitäten in Deutschland eingestellt und bieten weder in Deutschland noch in der EU gentechnisch veränderte (gv) Sorten an. Gleichzeitig erfährt die Gentechnik weltweit einen jährlichen Zuwachs, weshalb viele Züchter ihre Forschung in Ländern außerhalb der EU verlegt haben.
Würden landwirtschaftliche Erzeuger von der grünen Gentechnik profitieren oder wegen Umsatzeinbußen Schaden nehmen?
Bettina Sanchez-Bergmann: Aufgrund der hohen rechtlichen und bürokratischen Hürden und den damit verbundenen Auflagen für den Hersteller, ist die Züchtung einer GV-Pflanze ausgesprochen teuer. Deshalb kosten solche Sorten mehr als konventionelle Vergleichssorten. Ein Landwirt profitiert nur von der Grünen Gentechnik, wenn er gentechnisch veränderte Pflanzen gezielt einsetzt. Der Einsatz eines zünslerresistenten Bt-Mais macht zum Beispiel nur dann Sinn, wenn ein wirtschaftlich bedeutender Zünslerbefall vorhanden ist. Darüber hinaus ist die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen auch nur sinnvoll, wenn ein Absatzmarkt für die daraus resultierenden Produkte vorhanden ist. Vor dem Hintergrund der hierzulande vorherrschenden Ablehnung der Grünen Gentechnik, wäre diese Voraussetzung derzeit nicht gegeben und Umsatzeinbußen daher zu erwarten.
Seit Jahren werden zum Beispiel in den USA, Kanada, Brasilien und Argentinien gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Können hiesige Verbraucher überhaupt sicher sein, Sojaprodukte zu verzehren, die nicht von gentechnisch unveränderten Pflanzen stammen?
Bettina Sanchez-Bergmann: Viele Sojaprodukte finden in der Lebensmittelherstellung Verwendung: Sojaöl z.B. in Margarine und Mayonnaise, Sojalecithin z.B. in Eiscreme, Backwaren, Schokolade, Vitamin E als Antioxidationsmittel in vielen fetthaltigen Lebensmitteln, Sojaproteine in vielen Fertigprodukten, Sojamehl/ Sojagries in einigen Backwaren. All diese Produkte müssten bei Lebensmitteln als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet werden, wenn sie aus GV-Sojapflanzen hergestellt sind. Da der Handel aber Umsatzeinbußen durch eine solche Kennzeichnung befürchtet, wurde die Produktion größtenteils auf GVO-freies Soja oder entsprechende Ersatzprodukte (z.B. Rapsöl statt Sojaöl) umgestellt. Der Verbraucher kann also sicher sein, dass er kein GV-Soja zu sich nimmt, wenn dies nicht entsprechend auf dem Lebensmittel gekennzeichnet ist. Unbeabsichtigte GVO-Spuren in herkömmlichen Produkten sind allerdings nie ganz auszuschließen.
Der größte Teil der Sojabohnen wird hierzulande jedoch zu Futtermitteln verarbeitet. Als Futtermittel unterliegt dieses Sojaschrot ebenfalls der GVO Kennzeichnungspflicht. Das mithilfe dieser Futtermittel produzierte Fleisch jedoch nicht. Das macht einerseits Sinn, da im Endprodukt Fleisch keinerlei Bestandteile des GV-Futters mehr nachweisbar sind. Andererseits wünschen sich viele Verbraucher eine klarere Kennzeichnung und fühlen sich hierdurch getäuscht. Einige Fleischproduzenten haben auf die Skepsis der Verbraucher reagiert und bieten Fleisch aus gentechnikfreier Fütterung an. Dies gelingt über direkte Verträge mit den Produzenten und eine aufwändige und lückenlose Rückverfolgbarkeit, denn in den Herkunftsländern werden GV-Produkte und nicht-GV-Produkte in der Regel nicht getrennt. Dadurch wird das so produzierte Fleisch allerdings teurer.
Dennoch, eine Umstellung sämtlicher in Deutschland und der EU benötigten Futtermittel auf GVO-freie Produkte ist derzeit illusorisch. Europa produziert selbst zu wenig eiweißreiche Futtermittelpflanzen, um die großen Nutztierbestände ernähren zu können. Wir sind daher auf den Import von Soja – und damit auch von GV-Soja – angewiesen.
Werden deutsche Landwirte auf Dauer ohne grüne Gentechnik vom Zuchtfortschritt abgehängt?
Bettina Sanchez-Bergmann: Auch ohne Grüne Gentechnik wird es weiterhin Zuchtfortschritt geben. Die Grüne Gentechnik ist nur eine Methode im Werkzeugkasten der Pflanzenzüchter. Die Züchter arbeiten weiterhin an der Entwicklung neuer Sorten und an der Verbesserung der Züchtungsmethoden. Sie sind aber auch zukünftig auf technische Neuentwicklungen angewiesen und sollten jedes zur Verfügung stehende Verfahren nutzen können, um für die Bedürfnisse der Landwirtschaft angepasste Sorten zu entwickeln. Eine Ablehnung einzelner Methoden aus ideologischen Gründen ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel.
Kann die Grüne Gentechnik den Hunger in der Welt reduzieren?
Bettina Sanchez-Bergmann: Die Grüne Gentechnik als Allheilmittel im Kampf gegen den Hunger in der Welt zu sehen, wäre unrealistisch. Dennoch muss sich die Menschheit den immer drängender werdenden globalen Herausforderungen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und Methoden stellen. Die Gentechnik kann einen Teil dazu leisten, diesen Herausforderungen zukünftig zu begegnen, zum Beispiel bei der Entwicklung trockentoleranter Pflanzen oder bei der Bekämpfung von Mangelernährung. Erste vielversprechende Ansätze, wie den „Golden Rice“, gibt es bereits. Leider wird auch dieser humanitäre Ansatz von Gentechnikkritikern in massiver Weise, bis zur Zerstörung von Versuchsfeldern, bekämpft. Durch dieses Vorgehen wird die Zulassung des Golden Rice seit Jahren verzögert.
Sind Bedenken hinsichtlich möglicher Gesundheitsrisiken gentechnisch veränderter Produkte aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?
Bettina Sanchez-Bergmann: Gibt es wirklich gesundheitliche Risiken? Vor der Zulassung einer gentechnisch veränderten Pflanze in der EU wird sie auf Herz und Nieren auf ihre Sicherheit, sowohl für den menschlichen und tierischen Verzehr, als auch im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf die Umwelt, überprüft. Nur wenn hierbei kein Risiko erkennbar ist, wird sie überhaupt zugelassen. Kein anderes (konventionelles) Lebensmittel durchläuft ein so strenges Zulassungsverfahren wie gentechnisch veränderte Produkte. Seit 1996 werden in den USA GV-Pflanzen angebaut und verzehrt, ohne dass sich hieraus stichhaltige Hinweise auf Gesundheitsrisiken ergeben hätten. Es gibt keine Studie, die solche Risiken zugelassener gv-Produkte für die menschliche Ernährung belegen. Auch die öffentliche Biosicherheitsforschung mit gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland hat keinerlei Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen bestätigen können.
Ist der ökonomische Nutzen von Gentechnikpflanzen unumstritten?
Bettina Sanchez-Bergmann: 2013 wurden gentechnisch veränderte Pflanzen weltweit auf 175 Millionen Hektar in 28 Ländern angebaut. 18 Millionen Landwirte nutzen die Technologie, davon mehr als 90 Prozent Kleinbauern. Ohne einen ökonomischen Nutzen für den jeweiligen Landwirt wäre eine Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen nicht möglich. Auch Landwirte sind Unternehmer und entscheiden sich für die Produkte, die für ihre Betriebe am erfolgversprechendsten erscheinen.
Generell hängt es von vielen Faktoren ab, ob durch die Nutzung gentechnischer Pflanzen ein ökonomischer Vorteil erzielt werden kann. Hierbei spielen unter anderem regionale Unterschiede eine Rolle, aber auch die Verbraucherakzeptanz und die damit verbundenen Absatzmärkte. Zahlreiche Untersuchungen über die Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen auf die Landwirtschaft unterstreichen deren ökonomischen Nutzen.
Teile Sie die Bedenken, dass beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen Resistenzen entstehen?
Bettina Sanchez-Bergmann: Es gibt Berichte über die Entstehung herbizid-resistenter Unkräuter beim Anbau von gv-Pflanzen. Das ist richtig. Solche Resistenzen sind allerdings nicht nur eine Folge des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen: Sie können generell auf allen Feldern auftreten, auf denen über längere Zeit hinweg immer das gleiche Herbizid verwendet wurde. Die Hersteller empfehlen daher einen regelmäßigen Wechsel der Wirkstoffe. So können ungewollte Resistenzen vermieden werden. Auch Schadinsekten können per se Resistenzen gegen die gegen sie wirksamen gentechnisch veränderten Bt-Pflanzen entwickeln. Auch dies lässt sich durch die entsprechende gute fachliche Praxis verhindern, indem beispielsweise geeignete Bt-freie Rückzugsgebiete für Insekten angeboten werden.
Wo sehen Sie die Gentechnik im Jahr 2020?
Bettina Sanchez-Bergmann: Weltweit wird die Nutzung der Grünen Gentechnik sicherlich in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Immer mehr Länder betreiben auch intensiv eigene Forschung in diesem Bereich. Obwohl die Grüne Gentechnik ihre Geburtsstunde in Deutschland hatte und deutsche Forscher jahrelang führend auf diesem Gebiet waren, sind wir mittlerweile abgehängt. Dennoch sind auch in Deutschland Produkte, die mithilfe der Grünen Gentechnik hergestellt wurden, bereits jetzt Realität. Ob in Geldscheinen, Kleidung oder Textilien – in den meisten sind Fasern gentechnisch veränderter Baumwolle enthalten. Rinder, Schweine und Hühner fressen Futtermittel aus gentechnisch veränderter Soja. Eine 100-prozentige GVO-Freiheit gibt es bereits heute nicht mehr. Vor dem Hintergrund globaler Märkte wird es, aus meiner Sicht, zukünftig für die EU und auch für Deutschland immer schwieriger, eine Ablehnung der Technologie aufrecht zu erhalten.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Brigitte Braun-Michels.