Europäisches Patentamt erklärt Artikel 28(2) für ungültig: Patente auf natürliche Merkmale wieder möglich
Saatgut Austria kritisiert die kürzlich getroffene Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (EPA) in München, die in einer Anhörung zu einem Patent für Paprikapflanzen den Artikel 28(2) für ungültig erklärt hat. „Mit seinem Ansatz untergräbt das EPA die EU-Biotechnologierichtlinie 98/44/EG und öffnet umfangreichen Patentierungen natürlicher Merkmale Tür und Tor“, so Michael Gohn, Obmann von Saatgut Austria. „Diese Entscheidung ist ein großer Rückschritt und schafft erneut Rechtsunsicherheit. In den kommenden Wochen und Monaten bleibt abzuwarten, wie die Patenterteilungspraxis des EPA weitergeht und wie die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten reagieren werden“, so Gohn. Saatgut Austria fordert zudem, möglichst rasch wieder Rechtssicherheit für Züchter und Landwirte herzustellen.
Hintergrund: Überraschende Entscheidung des EPA
Am 5. Dezember erklärte die Technische Beschwerdekammer des EPA bei mündlichen Verhandlungen den Artikel 28(2) im Zuge eines Berufungsverfahrens in der Rechtssache T1063/18 für ungültig. Diese Regel stellt klar, dass alle Produkte, die grundsätzlich durch biologische Prozesse entstanden sind, von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden. In ihrer Entscheidung kam die Technische Beschwerdekammer des EPA zu dem Schluss, dass die vom Verwaltungsrat des EPA im Juni 2017 angenommene Regel 28(2) in Konflikt mit Artikel 53(b) des Europäischen Patentübereinkommens steht und somit ungültig war. Die Entscheidung steht im Konflikt mit dem fast einstimmigen Beschluss der 38 Vertragsstaaten des Verwaltungsrats der EPA vom Juni 2017, der sich an die Klarstellung der Europäischen Kommission in Bezug auf die EU Richtlinie 98/44/EG anlehnt. Diese neue Vorschrift wurde vom EPA bereits in mehreren Fällen zusammen mit der Einführung eines zwingenden Haftungsausschlusses in Patentansprüchen angewendet.