Maintal, Germany
4. März 2013
Zur Saison 2013 zeichnet sich bei den Getreide- und Ölsaatenmärkten bisher eine bessere Versorgung ab als 2012.
Zu diesem Fazit kam Bernhard Chilla, Manager Economics Research, Viterra Deutschland GmbH, im Rahmen der Dow Jones Agrarkonferenz Ende Februar in Frankfurt.
Worauf führen Sie den aktuellen Dämpfer, den die Getreidemärkte in Europa trotz der knappen Versorgungssituation erfahren, zurück?
Bernhard Chilla: Festzuhalten bleibt, dass wir nach wie vor ein hohes Getreidepreisniveau haben. Das allein spiegelt schon die knappe Versorgungssituation wieder. Märkte laufen nicht nur in eine Richtung. Auch wenn Bilanzen eng sind, gibt es immer wieder Ausschläge nach oben und unten. Das ist abhängig davon, ob in einem Monat die Nachfrage besser oder schlechter ist. In der EU dürfte sich widerspiegeln, dass der Fleischmarkt und damit die Futtermittelnachfrage derzeit schwächelt. Am Exportmarkt ist EU-Weizen zudem 30 bis 40 Dollar teurer als US-Weizen, was die Nachfrage dämpft. Es bleibt abzuwarten, ob US-Weizen durch eine stärkere Nachfrage im Preis steigt, oder EU-Weizen billiger am Weltmarkt angeboten werden muss. Einen richtigen Preiseinbruch erwarte ich bis zur Ernte nicht. Dazu ist die Versorgungsbilanz einfach zu eng und der Bedarf anhaltend hoch. Zur nächsten Saison kann sich die Lage allerdings ändern.
Wie meinen Sie das?
BC: Bisher haben wir viel weniger Auswirkungen der Wettermärkte zu verzeichnen, als das noch vor einem Jahr der Fall war. Großflächige Auswinterung in der EU und im Schwarzmeerraum bleiben bisher aus, stattdessen ist eine Flächenausdehnung zu verzeichnen. Aktuell werden Trockenheitsfolgen beim US-Weizen diskutiert, die durch den Schnee wegen der besseren Bodenfeuchtigkeit abgemildert wurden. Genauere Prognosen liefert das amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) im April (Crop Ratings). Wir müssen abwarten, wie groß der Flächenanteil beim Winterweizen tatsächlich ist, der die kalte Jahreszeit unbeschadet überstanden hat.
Welche Einflussfaktoren spielen für die Weizenpreisbildung zur nächsten Saison eine Rolle?
BC: Der Wettermarkt ist von großer Bedeutung. Ist der Winter überstanden, werden wir sehen, ob es im Frühjahr oder Frühsommer zu Trockenschäden kommt. Außerdem muss bilanziert werden, wie viel Getreidearten in Europa zur nächsten Saison zur Verfügung stehen. Ein großer Teil des Getreides wandert in den Futtertrog und der Gerstenanbau ist rückläufig. Das muss durch Futterweizen und Mais ersetzt werden. Schließlich bleibt abzuwarten, ob es im Schwarzmeerraum zu politischen Exportrestriktionen kommen könnte. Sie sehen, die Gleichung hat noch viele Unbekannte.
Wie kann EU-Weizen am internationalen Markt punkten?
BC: Deutschland gehört mit Polen, Tschechien, Litauen und dem Balkan zu den Erzeugerländern mit sehr hoher Weizenqualität. Die ist vergleichbar mit dem Hard Red Winterweizen aus den USA und kanadischen Qualitäten. Frankreich produziert Weichweizen, der sich kontinuierlich in Nordafrika absetzten lässt. In Rumänien, Ungarn und Bulgarien ist die Weizenqualität meist schlechter. Neben dem hohen Qualitätsniveau verfügt besonders Deutschland über eine extrem gute Logistik. Das macht uns auf jeden Fall konkurrenzfähig.
Wie schätzen sie die Entwicklung am internationalen Maismarkt ein? Können die Defizite mittelfristig ausgeglichen werden?
BC: Bisher spricht viel dafür, dass wir im nächsten Jahr international auf eine höhere Maisernte zurückgreifen können. In der EU dürfte sich der Maisverbrauch wegen der geringeren Gerstenanbaufläche weiter erhöhen. Aufgrund der kontinuierlich wachsenden Nachfrage, besonders in Asien und Afrika, bleibt der Bedarf weltweit hoch. In Europa liegt der Maisverbrauch bei rund 60 Mio. t . Wir brauchen gute Maisernten, um die Nachfrage dauerhaft decken zu können. Sollten die USA zur nächsten Saison wieder gut ernten und auch viel Mais in der Ukraine erzeugt werden, werden die Bilanzen entlastet und das jetzige Preisniveau dürfte zu hoch sein.
Wer spielt in Zukunft die wichtigste Rolle für die Preisbildung am internationalen Maismarkt?
BC: Unter normalen Bedingungen werden 30 bis 40 Prozent der weltweiten Maismenge in den USA produziert. Damit bleiben die Amerikaner der wichtigste Player. Brasilien kann durch das „double-croping“, das ist eine zweite Maisaussaat von Mais nach der Sojabohne, auf zwei Maisernten pro Saison zurückgreifen. Damit kann die Menge kurzfristig ausgedehnt werden, auf Kosten von Weizen. Allerdings bestehen in Brasilien nach wie vor große logistische Probleme, was die Teilnahme am internationalen Handelsgeschehen begrenzt. Auch Argentinien ist ein wichtiger Exporteur und die Ukraine wächst zu einem solchen heran. Bei normaler Ernte bleiben die Amerikaner Preis bestimmend für den Mais.
Die Sojabohnenbilanz dürfte zur nächsten Saison ebenso entschärft werden ...
BC: Ja, davon gehe ich auch aus. Bei dem hohen Preisniveau wird in den USA nach dem Winterweizen nochmals die Bohne angebaut (double-croping). In Brasilien wurde die Fläche ausgedehnt. Argentinien und Paraguay bleiben wichtige Anbieter. Ich glaube nicht, dass sich so ein schlechtes Jahr wie 2012, wo wir im Herbst trockene Aussaatbedingungen, große Auswinterungsschäden in der EU, Frühjahrestrockenheit in Russland und später den USA hatten, wiederholt. Von daher dürften die Märkte in dieser Saison insgesamt besser versorgt sein.
Was kann am Rapsmarkt passieren?
BC: Raps korreliert bekanntermaßen eng mit der Preisentwicklung der Sojabohne. Jedoch hat diese Ölfrucht auch ein Eigenleben. In Europa bleibt der Biodieselmarkt für Raps eine große Absatzquelle. Wie sich dieser weiter entwickelt ist derzeit die große politische Unbekannte. Ohne ungeahnte Wetterfolgen gehe ich für Getreide und Ölsaaten zur kommenden Saison von einem schwächeren Preisniveau aus.
Vielen Dank!
Das Gespräch führte Brigitte Braun-Michels